Wir benutzen andere Menschen als unsere Leinwände
Die Leinwände anderer Menschen sind für uns wohl der einfachste Weg, unsere inneren Schattenanteile in die äußere Welt zu projizieren.
Den meisten von uns fällt es sehr leicht, einen vermeintlichen „Fehler“ in anderen Menschen zu erkennen. Ganz unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Feststellung lohnt sich dazu oft die stille Frage nach innen: Wie viele Emotionen verknüpfe ich mit diesem Thema?
Wenn uns ein Thema emotional sehr bewegt, kann man weiterschauen: Finde ich in mir, wenn ich jetzt einmal ganz ehrlich zu mir selbst bin, gewisse Anteile, die mit diesem Thema irgendetwas zu tun haben?
Dabei kann man sich ferner ansehen, welche grundlegenden Qualitäten einer bestimmten als negativ erlebten Eigenschaft zugrundeliegt.
Ein Beispiel: Nehmen wir an, du findest eine andere Person ziemlich faul und das macht dich vielleicht wütend oder traurig. Es ist dabei ganz egal, ob du dies nur denkst oder der Person auch sagst.
Es ist hier für unsere innere Arbeit auch vollkommen irrelevant, ob die wahrgenommene Faulheit auf irgendwelchen Tatsachen beruht oder wieviele andere Menschen dir Recht geben würden.
Für uns geht es jetzt hier ausschließlich darum, dass das Thema Faulheit bei dir in diesem vorgestellten Beispiel mit Emotionen verbunden ist.
Was liegt Faulheit zugrunde? Man könnte dazu auch Passivität sagen oder vielleicht fällt dir auch noch ein anderes Wort ein. Es wäre allerdings hilfreich, wenn das neue Wort keine so starke emotionale Bewertung in sich trägt wie die Faulheit.
Was fällt dir zum Thema Passivität in deinem eigenen Leben ein?
Bist du vielleicht selbst ständig hyperaktiv und könntest dringend mal eine Verschnaufpause oder sogar eine regelmäßige Meditationspraxis gebrauchen, um auch mal passiv sein zu dürfen? Dann kommt die Projektion der Faulheit vielleicht aus Neid, weil jemand anderes sich das nimmt, was du gerne auch erleben möchtest?
Oder gibt es vielleicht einen Bereich in deinem Leben, um den du dich ganz dringend kümmern müsstest, aber bisher bist du damit vollkommen passiv geblieben und hast noch nicht angefangen?
Wenn du deinen Schatten finden möchtest, ist natürlich wie immer schonungslose Ehrlichkeit mit sich selbst erforderlich.
Es kostet immer etwas Mut, sich mit seinem Schatten zu beschäftigen. Denn wenn man erst einmal eine möglicherweise als „negativ“ zu interpretierende Eigenschaft in sich selbst akzeptiert hat, dann möchte man das im Allgemeinen ja auch ändern.
Der Mensch ist aber ein Gewohnheitstier und Veränderungen benötigen oft zunächst ein bisschen Kraft und Anstrengung. Darum sind wir oft etwas vorsichtig damit, gewisse Eigenschaften in uns sehen zu wollen.
Projektionen von inneren Archetypen
Auch unsere sogenannten Archetypen wollen in uns selbst erkannt werden und werden darum direkt aus unserem Inneren auf das für uns sichtbare Erscheinungsbild von anderen Personen projiziert.
Hier kann es sich um klassische archetypische Vorstellungsbilder handeln, zum Beispiel, was wir als typisch männlich / weiblich wahrnehmen, unsere Einteilungen in Eltern und Kinder und vieles mehr.
Doch in uns wohnen laut Carl Justav Jung auch ganz andere innere archetypischen Anteile, die wir oft in unseren Mythen und Märchen festgehalten haben, zum Beispiel Held, Magier, Bettler oder Königssohn/-tochter.
Das thematische und auch das energetische Feld der Archetypen ist so groß, dass ich dazu sicher an anderer Stelle mehr darüber schreiben werde.
Du kannst aber mal beobachten, ob du in deinem persönlichen Lebensumfeld gewisse Helden, Magier, Bettler, Königssöhne oder -töchter erkennen kannst.
Oder welche anderen tief in uns verwurzelten Bilder siehst du?
Wenn du möchtest, spüre dann doch einmal in dich hinein, welche Eigenschaften mit solch einem Archetypus verbunden sein könnten. Findest du einige dieser Eigenschaften auch in dir selbst?
Projektionen auf Vorbilder und Idole
Vorbilder können für uns hilfreich sein, denn von und mit ihnen können wir oft schneller lernen.
So funktioniert auch die Beziehung zwischen einem Guru und seinem spirituellen Schüler: Der Folgende lernt vom Vorbild und erkennt auf diese Weise mit der Zeit nach und nach, dass all diese heil-igen Eigenschaften des Gurus bereits längst vorhanden sind im eigenen Inneren. Man braucht sie nur wahrzunehmen und weiter zu kultivieren.
Auch bei menschlichen Vorbildern werfen wir einen Anteil unserer eigenen inneren Anteile (die wir noch nicht wahrnehmen und annehmen möchten) als Projektion auf die Erscheinungsleinwand eines anderen Menschen.
Hast du Vorbilder oder Idole in deinem Leben?
Was möchtest du von ihnen, was du meinst, nicht selbst zu haben?
Leben diese Idole vielleicht etwas für dich aus, was du selbst nur schwer umsetzen könntest?
Oder findest du auch Anteile von ihnen in dir selbst wieder?
Vielleicht, wenn du ganz genau hinschaust?
Aufmerksamkeit und Ehrlichkeit ist alles, was es braucht, um projizierte Schattenanteile erkennen zu können. Vielleicht magst du in den nächsten Tagen ja mal verstärkt darauf achten. Dann wünsche ich dir viel Freude beim zukünftigen Erkennen deiner Schattenanteile in deinen Mitmenschen! 🙂